Es war spät.
Viel zu spät. Und doch war niemand gegangen. Keine Fluchtbewegung, kein “Ich muss morgen früh raus”, kein “nur kurz schauen”. Jeder, der bei Sinnen war (oder diese im Lauf des Abends erfolgreich verloren hatte), blieb. Denn alle wussten: Das war noch nicht das Ende. Nicht bevor Scalpture die Bühne der Sputnikhalle Münster betrat.
Und was dann kam, war kein Gig mehr.
Es war Kriegsrecht.
Das Licht? Eine Katastrophe in Dauerzustand. Puffrot wie in einem serbischen Nachtclub kurz vor der Razzia. Aber das war egal. Wir waren längst alle auf der anderen Seite. Kein Raum mehr für visuelle Ästhetik – das hier war Death Metal in Reinform, roh, erbarmungslos, wie er sein muss.
Scalpture – das sind:
Thorsten am Gesang – ein Mann mit einer Stimme wie brennender Schutt. Felix und Tobias an den Gitarren – ein Panzerverbund aus Verstärkerstahl. Niklas am Bass – die vibrierende Linie zwischen Leben und völliger Zerstörung. Und Moritz am Schlagzeug – ein Maschinengewehr im Dauerfeuermodus.
Vergleiche mit Bolt Thrower, Asphyx oder Hail of Bullets? Klar. Kann man machen. Aber heute Nacht war Scalpture einfach Scalpture. Und sie waren alles, was es brauchte.
The Fall legte los wie ein tieffliegender Bomberverband. Danach: nur noch Trümmer. Hinterland, Through Hell, Into Catastrophe, Hells Choires – jeder Song ein Kapitel aus einem Geschichtsbuch, das man mit Patronenhülsen gebunden und in Blut geschrieben hat.
Der letzte Song? Frankreich. Kein Frieden. Kein Trost. Nur der finale Einschlag.
Die Sputnikhalle – ohnehin schon schwer beschädigt durch Necroknight, Phantom Corporation und Heretic Warfare – wurde endgültig in eine Trümmerlandschaft aus Schweiß, Bier und Glückseligkeit verwandelt. Der Moshpit tobte wie ein städtischer Nahverkehr bei Stromausfall. Es wurde gebangt, geprügelt, gelacht, geschrien. Eine Mischung aus kollektiver Katharsis und kontrollierter Selbstaufgabe.
Und ich? Ich war längst ein Schatten meiner selbst.
Kamera in der einen Hand, zwei Biere in der anderen, taumelte ich durch die Masse wie ein betrunkenes Geschoss. Es war großartig. Es war komplett. Es war alles, was Musik in dieser Form sein kann.
Danke an Heretic Warfare, die Gastgeber, die diesen Wahnsinn überhaupt erst ermöglicht haben.
Danke an die anderen Bands. An das Sputnik-Team für Sound, Tresen, Geduld.
Danke an alle, die gekommen sind, um dieses Monument aus Lärm, Wut und Euphorie mit aufzubauen. Kein Dank an den Typen, der das Licht auf Puffrot fixiert und dann wie ein Phantom das Weite gesucht hat. Du weißt, wer du bist.
Aber der Rest?
Legende.
Und vielleicht, ganz vielleicht, tut mir der Nacken irgendwann Ende der Woche nicht mehr weh….😘😎🤘