Münster. Nieselregen. Kalte Tropfen prasseln auf die Stadt, als hätten die Götter selbst beschlossen, den November für immer in den Kalender einzubrennen. Die Fans – eine Mischung aus angehenden Chaos-Poeten, Punk-Nostalgikern und dem harten Kern der Saarbrooklyn-Loyalisten – strömen trotzdem in die Heile Welt. Eine enge, schweißgetränkte Höhle, die sich wie ein verbotener Tempel anfühlt, ein Zufluchtsort für jene, die sich weigern, dem Stillstand zu erliegen.
Die Sidewalk Surfers betreten die Bühne wie eine Horde hungriger Kojoten – laut, roh und bereit, alles zu zerfetzen. Der erste Schlag: „Out of Control“, eine hymnische Abrissbirne, die die Crowd sofort in Bewegung bringt. Der Moshpit explodiert, ein pulsierendes Chaos aus schreienden Kehlen und fliegenden Ellbogen. Kaum Zeit zum Atmen, und schon folgt „Atomic Rain“, eine sonore Apokalypse, die klingt, als würde der Himmel auf die Erde krachen.
Die Setlist? Eine Tour de Force durch ihre Diskografie. „Rapid Cycling“, ein wütendes Manifest für die Rastlosen. „Growing Up“, eine bittersüße Hymne für alle, die sich weigern, erwachsen zu werden. Und dann: „New World“, der Soundtrack für eine Revolution, die nie kommen wird, aber verdammt nochmal kommen sollte. Die Menge tobt, der Schweiß tropft von der Decke, und irgendwo im Getümmel hebt ein Typ sein Bier in die Luft, als wäre es der heilige Gral.
Der letzte reguläre Song: „ADHD“. Eine unerbittliche Hymne der Überstimulation, die sich wie ein Sturm durch die Menge frisst. Die Crowd schreit nach mehr, und natürlich gibt es eine Zugabe – welche, weiß ich nicht mehr, weil ich irgendwo zwischen einem fliegenden Doc Martens-Stiefel und einem verschütteten Gin Tonic die Orientierung verloren habe.
Am Ende taumeln die Leute hinaus in den Regen, durchgefroren, aber aufgeheizt, mit diesem seltsamen, elektrischen Gefühl, das nur Live-Musik auslösen kann. Die Sidewalk Surfers haben Münster für eine Nacht übernommen, und wir alle waren verdammt nochmal „out of control“.