Es war einer dieser Tage, die eigentlich friedlich und unscheinbar beginnen sollten, wie der Moment, bevor ein Tornado sich entscheidet, über dein Leben hinwegzuziehen und alles, was sicher schien, in ein chaotisches, alkoholgetränktes Chaos zu verwandeln. Münster, eine Stadt, die so brav und zahm wirkt, als könnte sie nur von Fahrrädern und studentischer Müdigkeit zusammengehalten werden. Doch an diesem Samstagabend, als die Turbomatebierjugendihren unheiligen Bund auf das Schicksal des Tages legte, blieb kein Platz mehr für rationale Entscheidungen. Der Plan, nüchtern zu bleiben? Aus dem Fenster. Adieu Vernunft, willkommen Wahnsinn.
Ein paar müde Pedaltritte, und ich war beim Güterbahnhof – im RARE GUITAR– diesem verfluchte Gitarrenshop, der sich als Vorhof zur Hölle entpuppen sollte. Die Szene? Eine bunte Mischung aus Gestalten, die eher auf die Gästeliste einer Hochzeitsparty gehören würden als auf ein Punkkonzert. Aber hey, es war Münster, und selbst hier tragen die Spießer ihre Lederjacken mit einem unterschwelligen Bedürfnis nach Zerstörung. Gansi und Jule, die ärmsten Seelen, hatten sich am selben Tag in den „heiligen“ Bund der Ehe geschworen – ein wenig zu viel Romantik für das, was als Nächstes kommen sollte. Was für arme Narren.
Kaum hatte ich das erste Bier in der Hand und den ersten Zug von der Sportzigarette inhaliert, war klar, dass dies nicht die Nacht für Zurückhaltung sein würde. Mein Geist stieg auf ein neues Niveau, irgendwo zwischen psychedelischem Wahnsinn und Pöbelpunk-Paradies. Und dann passierte es.
Die Band Fresse – Band, eine furiose Ansammlung von Freaks mit mehr Attitude als deine durchschnittliche Motorradgang, enterte die Bühne wie ein wildgewordener Löwenrudel, der sich nicht um die Trennung zwischen Bühne und Publikum scherte. Sie legten direkt mit „Stagediverutsche“ los, einem brutalen, basslastigen Song, der den Boden zum Vibrieren brachte und den Raum in Sekunden in einen Hexenkessel verwandelte. Menschen flogen, Bier explodierte in der Luft wie Champagner auf einer verstörten Adelsfeier, und ich war mitten drin. Der Moshpit hatte nicht nur Klasse, er hatte eine verdammte Seele – die Art von anarchischem Wirbel, die dich glauben lässt, du könntest fliegen, während du gleichzeitig drohst, in den Wahnsinn abzudriften.
Die Songs kamen in einem unerbittlichen Sturm, jeder Treffer härter als der letzte: „Partybuss“, „Lagerkorn“, „Moonshine“, und natürlich „Oh Bier“. Jeder Track war ein weiterer Nagel in den Sarg der Nüchternheit. Es war, als würde die Band den kollektiven Geist des Publikums packen und ihn durch eine Adrenalinschleuder in den Orbit schießen.
Und als ob das nicht genug wäre, kam das finale Meisterwerk – der ultimative Liebesbrief an diese verfluchte Stadt und alles, was sie ausmacht: „Saufen in Münster“. Ein wahrer Endzeit-Hymnus, der die Menge zum letzten Mal explodieren ließ, als wären wir alle verdammte Helden in einer Saga, die nur die Dunkelheit des nächsten Katers enden lassen könnte.
Die Nacht endete, wie sie begann – in einem verschwommenen, delirierenden Taumel, in dem das Konzept von Zeit und Raum völlig irrelevant geworden war. Die Musik hatte gewonnen, und mit ihr die völlige Aufgabe jeder Kontrolle. Klar, es war nur ein Samstag in Münster, aber verdammt, es fühlte sich an wie das Ende der Welt. Oder vielleicht nur der Anfang…
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