Es war eine jener Nächte, die im Gedächtnis bleiben, nicht weil sie besonders war, sondern weil sie das Hirn in den Schleudergang warf und dich bis zur letzten Synapse durchrüttelte. Die Sputnikhalle Münster war die Hölle auf Erden, gefüllt mit den üblichen Verdächtigen – langhaarige Unholde, von Schweiß getränkte T-Shirts und Bierduschen, die wie Geschosse durch die Luft flogen. Ein typischer Samstagabend, aber dieses Mal war es anders, denn Phagocyte waren an der Reihe, die Bühne zu betreten.
Phagocyte, eine lokale Bestie aus dem Untergrund, die auf den ersten Blick wie eine Bande von gesetzlosen wirkt, bereit, das Publikum in ihre Einzelteile zu zerlegen. Die Besetzung: Andi, der an den Drums hämmerte wie ein besessener Schmied aus der Hölle; Daniel, der mit seiner Gitarre Klänge heraufbeschwor, die eher an die Hölle als an das Paradies erinnerten; Lütti, der mit seiner Gitarre und seinen Vocals die Luft in messerscharfe Stücke schnitt; und Vanessa, die mit ihrem Bass die Basis einer kriegführenden Armee untermalte – und zwar einer, die auf alles aus ist, was gut und heilig ist.
Der Opener „Concept of the Enemy“ kam wie ein wütender Bulle auf LSD auf die Menge zugerast. Kein Vorspiel, keine Gnade – nur purer Thrash Metal, der wie ein D-Zug durch die Gehirne der Anwesenden donnerte. Die Bühne bebte, der Boden vibrierte, und die ersten Reihen verwandelten sich in ein infernalisches Meer aus fliegenden Fäusten und wirbelnden Haaren.
Der Rest des Sets war ein blitzschneller, gnadenloser Angriff auf die Sinne. „Nevermind“, „President of Chaos“ und „Killing for Company“ kamen und gingen wie Geschosse aus einer verdammten Gatling-Gun, die keine Gefangenen machte. Der Bass von Vanessa war ein tiefes, alles durchdringendes Dröhnen, das in der Brust des Publikums widerhallte wie das Beben eines Erdbebens.
Und dann, als man dachte, es könne nicht mehr heftiger werden, kam das Finale. „Infanticide“. Der Songtitel alleine ließ die Ohren bluten und die Seelen zitterten. Es war die Art von musikalischem Massaker, bei dem man sich fragt, ob man lebendig herauskommt oder als bloßer Schatten seiner selbst. Der letzte Schlagzeugtakt, der letzte Schrei von Lütti, das letzte dröhnende Riff – alles verschmolz zu einem Crescendo des Chaos, das einem den Atem raubte und einem das Gefühl gab, in der Mitte eines Vulkans zu stehen, der kurz vor dem Ausbruch steht.
Phagocyte hat an diesem Abend etwas ausgelöst – eine Art kathartische Explosion, die uns alle für einen kurzen Moment die Bedeutungslosigkeit unserer Existenzen vergessen ließ. Thrash Metal der alten Schule, neu interpretiert, wie eine antike Waffe, frisch geschärft und bereit, erneut Blut zu vergießen. Der Gig hatte nicht nur Headliner-Qualität, er war eine verdammte Offenbarung.
Und jetzt sitze ich hier, mit dem dumpfen Dröhnen des Tinnitus in den Ohren, einem leeren Bier in der Hand und der Gewissheit, dass PHAGOCYTE uns alle erneut in den Abgrund ziehen wird – am 7.9 beim 1. Wolbecker Punk- und Metalfest – und wir werden lächelnd mitgehen