Es war kalt in Münster, das hätte man wissen müssen. Drei Grad, Nebel, scheiß drauf – da hilft nur das Fahrrad und ab ins Gleis 22. Ein Ort, den man betritt, wenn man bereit ist, alles, was man im Hirn zusammengeflickt hat, durch die Waschmaschine eines guten Absturzes zu jagen. Live-Musik und die verschwitzten Geister der letzten 50.000 Nächte, die irgendwo in den Wänden hängen wie alte Poster, abgeblättert und wild.
Es stand mal wieder eine dieser berüchtigten /// Record Riot /// Partys an, ein infernales Aufgebot, kuratiert von Markus Schmauck, dem Mann, der an einem schlechten Tag selbst den Totengräber zum Tanzen bringen könnte. Die üblichen Verdächtigen hatten sich eingefunden – Ledermäntel, ausgediente Punkjacken und ein halbes Jahrhundert gebrochener Pläne und halbwegs intakter Leberwerte.
Die Bühne gehörte zuerst Halb Aus Plastik, den einheimischen Punkhelden aus Münster, die schon längst nicht mehr bloß eine Band sind, sondern ein fester, pulsierender Muskel in der kratzigen Hand dieser Stadt. Jens, Holger, Lui, Großen und Christian. Sie standen da wie eine Bande alter Freunde, die wieder und wieder in die Hölle zurückkehrt, nur um sie mit jedem Song neu zu entfachen. Der Opener „Kalte Energie“ peitschte durch den Raum und hinterließ ein Surren in der Luft, das sich mit dem Klang von 100 Bierflaschen, die über den Boden scheppern, vermischte.
Es folgte ein Reigen ihrer größten Brecher: Plan A, ein Song, der wie ein Faustschlag auf die Brust knallt, gefolgt von Wegsehen und Ein Mann sieht Rot – jeder Song ein neuer Meißel in den Stein des alten Punk-Gedächtnisses dieser Stadt. Der letzte Song, WWW, zog die Menge endgültig in die Raserei. Ein paar Typen in den hinteren Reihen waren schon so weit, dass sie mit ihrem eigenen Bier gegen die Decke anstießen, als die Band den letzten Refrain ins Mikrofon schmetterte.
Halb aus Plastik spielte, als hinge ihre verdammte Existenz von jedem Akkord ab, und die Masse fraß es ihnen aus der Hand. Das Bier flog, die Stimmen kratzten wie Sandpapier, und irgendwo in all dem Chaos schob sich ein Moment ehrlicher Euphorie durch den Nebel. Jeder, der da war, wusste: Es war eine dieser Nächte, bei denen die Mühe, die Welt draußen zu ignorieren, plötzlich Sinn machte…