Münster, Freitagabend – 5 Grad, Nieselregen wie aus einem depressiven Roman von Heinrich Böll. Perfektes Setting für die Art von Wahnsinn, die nur eine anständige Punkshow entfachen kann.
Das Ziel? Heile Welt. Ein ironischer Name für einen Laden, in dem das Publikum so hungrig nach Eskalation ist, dass du spätestens nach der dritten Runde mit dem Teufel tanzt. Mit meinem klapprigen Fahrrad und einem halbwegs funktionierenden Regencape bahnte ich mir den Weg durch die kalten, nassen Straßen. Der Duft von feuchtem Asphalt und verirrten Träumen lag in der Luft.
Drinnen war es warm, stickig und genau richtig. Refugiadas BANDA PUNK auf der Bühne – drei Frauen mit der Energie von vier. Ursprünglich aus São Paulo, einem Ort, an dem die Sonne brennt und das Leben pulsiert, standen sie nun hier, mitten im Grau. Ihre Drummerin hatte es nicht durch den Passkontrollen- oder Visums-Wahnsinn geschafft, also hatte man kurzerhand den Tourfahrer auf den Hocker gepflanzt. Keine Experimente, keine Proben – pure Punkrock-Improvisation.
Und verdammt, das hat funktioniert. Es war roh, wild und komplett außer Kontrolle. Genau, wie es sein sollte. Der Bass brummte wie ein verrosteter Diesel, die Gitarrenriffs schnitten durch die stickige Luft wie eine Machete, und der Aushilfs Drummer hämmerte auf die Felle, als hätte sein Leben davon abgehangen. Wahrscheinlich tat es das auch.
Das Publikum? Eine dampfende Masse aus Lederjacken, bunten Haaren und Bierbechern, die im Takt der Anarchie durch die Luft flogen. Es war eine dieser Nächte, in denen die Welt außerhalb des Clubs komplett aufhörte zu existieren. Nur wir, der Lärm und das kollektive Gefühl, dass alles, wirklich alles, morgen in Flammen aufgehen könnte – aber das war okay.
Die Setlist war kompromisslos. Wütende Songs über die Gewalt der Polizei in Brasilien, Feminismus, Kapitalismuskritik – jede Note ein Mittelfinger ins Gesicht des Systems. Ein Kreislauf aus Energie und Chaos, der nicht zu stoppen war.
Am Ende schwitzte der Fahrer-Drummer wie ein Schwein und grinste wie ein Kind an Weihnachten. Die drei Refugiadas verbeugten sich, die Menge tobte, und ich stolperte mit einem Kopf voller Adrenalin und einem Herz voller Punk auf die Straße.
Es war kein Konzert. Es war eine Katharsis. Ein gottverdammter Abriss! 




